Hat ein Unfallversicherer den Eindruck, ein eingereichter Schaden ist vorgetäuscht, so ist er in der Beweispflicht. Der Versicherer ist nur dann berechtigt, Leistung zu verweigern, wenn er den tatsächlichen Vorgang nachweisen kann.
Im zu diesem Urteil verhandelten Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein verklagte eine Frau ihren Unfallversicherer, der sich geweigert hatte, die vereinbarte Invaliditätszahlung von 100.000,- Euro zu leisten.
Zum Hintergrund: Die Frau hatte für sich, ihren Partner und ihren Sohn im März 2006 eine Unfallversicherung unterschrieben, die ab April des gleichen Jahres gelten sollte. Kurz nach Versicherungsbeginn zog sich der Lebensgefährte beim Bedienen einer Tischkreissäge eine Verletzung an der Hand zu, bei der er seinen rechten Daumen verlor.
Da die Versicherung von finanziellen Problemen der Versicherungsnehmer wusste, vermutete sie im Unfall eine freiwillige Selbstverstümmelung und lehnte den Antrag auf Zahlung der Entschädigungssumme ab. Der Verletzte bestritt diesen Vorwurf und gab an, es habe sich um einen Unfall gehandelt.
Nachdem das Kieler Landgericht in erster Instanz aufgrund verschiedener Indizien der Ansicht des Versicherers gefolgt war, kam der Fall zur finalen Entscheidung vor die Richter des OLG. Dort entschied man, dass der Unfallversicherer die veranschlagte Summe zu zahlen hat. In der Urteilsbegründung stimmten die Richter zwar der vorinstanzlichen Auffassung zu, dass viele Indizien für die These der Selbstverstümmelung sprechen würden, beispielsweise die Tatsache, dass der Schaden kurz nach Versicherungsbeginn auftrat und die bekannten finanziellen Schwierigkeiten der Versicherten, doch ebenso könne der Schaden ein ‚normaler’ Unfall gewesen sein.
Da der Versicherer nicht beweisen konnte, dass der Mann sich den Daumen absichtlich abgeschnitten hatte, galt die gesetzlich verankerte Unschuldsannahme, die davon ausgeht, dass ein Versicherter eine Verletzung unfreiwillig erlitten hat.
Freitag, 3. Februar 2012
Täuschungsvorwurf ohne Beweis: Unfallversicherer muss zahlen
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